Wer ist hier der Boss?

Vor genau dieser Frage stehen viele KMU, die sich gerade in einem durch die Digitalisierung getriebenen Veränderungsprozess befinden. Es wird hinterfragt, ob die richtigen Leute auf den richtigen Positionen sitzen und ob diese Leute auch gut genug sind, den Wandel mit voran zu treiben. Denn Digitalisierung bedeutet Veränderung. Diese muss jedoch ebenfalls geführt werden. Und dazu braucht es weiterhin Leute, die die Verantwortung übernehmen. Doch welche Eigenschaften muss ein Chef im digitalisierten KMU mitbringen?

Unterschiedliche Arbeitsmodelle
Digitalisiert sich ein KMU, werden häufig Arbeitsmodelle ebenfalls verändert. Einfach aus diesem Grunde, dass viele Arbeitnehmer, die es für die erfolgreiche Digitalisierung braucht, andere Modelle wünschen. So ist nicht mehr jeder fixiert auf eine Festanstellung, sondern der Bedarf nach freiberuflichen, aber dennoch gut eingebundenen Positionen, steigt. Teilzeitstellen sind schon länger nicht mehr nur für familienbewusste Menschen, sondern auch für Menschen mit einem starken Fokus auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Ein Chef muss nun also nicht nur verschiedene Mitarbeitertypen managen und führen, sondern ebenfalls dafür Sorge tragen, dass alle gleich gefördert werden und eine Zusammenarbeit stattfindet. Dies kann eine grosse Herausforderung sein und die Konzentration sollte darauf liegen, den Austausch untereinander so einfach wie möglich zu gestalten. Ob man dazu nun digitale Projektmanagement-Tools nutzt oder andere Mittel findet, bleibt schlussendlich dem Team überlassen. Wichtig ist einfach jedes Teammitglied als ein solches anzusehen und gleichberechtigt zu führen – egal wo jemand sein Büro hat und wie viel Zeit er dort verbringt.

Fokus auf Kernkompetenzen statt Titel
Immer noch sagt der Titel einer Person in einem KMU aus, welche Rolle er übernimmt. Diese sind teils relativ statisch, vor allem bei grösseren Unternehmen. Jemand in der Buchhaltung kümmert sich um Zahlen, jemand im Marketing um die Vermarktung und jemand im Kundenkontakt um die Kunden. Doch was wenn Herr X nicht nur gut mit Zahlen umgehen kann, sondern auch ein exzellenter Verkäufer ist? Oder Frau Z aus dem Marketing wirklich gut mit Zahlen umgehen kann. Bisher wird die Flexibilität häufig nicht gefördert. Es gibt Unternehmen die versuchen dies zu unterbinden, indem neu eingestellte Mitarbeiter zunächst keinen Jobtitel bekommen, sondern dieser erst festgelegt wird, wenn klar ist, welche Kompetenzen jemand abdecken kann. Ich finde die Idee spannend, obgleich auch zu Beginn ein Fokus liegen muss, der wird schlussendlich bereits vor der Suche nach jemandem, nämlich nach dem Bedarf der Firma, festgelegt. Dennoch ist es gewinnbringend zu sagen, man arbeitet nach Stärken nicht nach Titeln. Dies fordert die Mitarbeiter, aber gleichzeitig kann sie dies auch fördern. Ein Austausch miteinander wird vereinfacht, in dem jeder auch ein Bein in einem anderen Bereich hat und dort ein Verständnis entwickelt. Solche Multitalente zu führen, braucht andere Stärken als jemand aus seinem Kernbereich zu führen. Doch wer sagt denn, dass der Chef, der solche Leute führt, nicht genau arbeiten kann?

Mitarbeiterentwicklung statt Mitarbeiterführung
Wie produktiv ist es eigentlich wirklich, wenn ein Chef im Team die Aufgaben verteilt, alle anderen arbeiten diese ab und die Fäden laufen wieder beim Chef zusammen? Ist der Mitarbeiter dann wirklich an seinem Maximum was er leisten kann? Oder fühlt er sich durch den „doppelten Boden“ so sicher, dass er sich zu sehr auf seinen Chef verlässt und vielleicht nicht immer genug konzentriert mitdenkt? Im Rahmen der Digitalisierung hört man immer öfter, dass Hierarchien in einer Firma aufgelöst werden. Ja, es braucht immer noch jemanden, der schlussendlich die Verantwortung übernimmt und dies muss jedem klar sein wer diese Rolle ausfüllt, aber braucht es den Vize vom Vize nur im Fall das? Nein, denn Mitarbeiter führen sich im Optimalfall selber. Ein Chef kann sich dann darauf konzentrieren, das Beste aus seinen Mitarbeitern rauszuholen: Aufbau ihrer Fähigkeit zur Selbstführung und Sparring-Partner für Fragen zu Themen, Geschwindigkeiten, Effizienz und Fokus. So hat jeder Mitarbeiter klein eine Eigenverantwortung, ist darüber informiert und kann diese auch dementsprechend wahrnehmen. Und ein Chef kann sich neben dem Dasein als Sparring-Partner auf seine Kernkompetenzen konzentrieren.

Mitarbeiter als Experten
Auch hier braucht es eine Umdenke – ein Chef muss nicht alles wissen! Ein Chef muss wissen, welcher Mitarbeiter es weiss! Innerhalb der Digitalisierung und den damit verbundenen Veränderungen ist es extrem wichtig, intern Know-how aufzubauen und die stetige Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu fördern. Mitarbeiter sollen Experten werden. Es braucht nämlich nicht 10 Leute die das gleiche wissen, sondern nur einen, der kompetent ist sein Wissen bei Bedarf zu teilen. Auch das wiederum birgt eine Herausforderung für die Führung: Mitarbeiter sind geneigt dazu, neidisch zu werden und nicht immer nur hilfsbereit im Umgang mit anderen zu sein. Vor allem dann, wenn es Mehraufwände sind, die man wegen jemand anderem hat. Genau diese Denke gilt es auszumerzen. Mitarbeiter sollten stolz darauf sein, als Experte herangezogen zu werden und auch als solche gepusht werden, gerade vom Vorgesetzten.

Mitarbeiterförderung in der Digitalisierung
Mitarbeiter verlieren genauso ihre Treue wie Kunden. Wenn jemand in einem Unternehmen zufrieden ist, dann weil er überzeugt ist von seiner Arbeit und der Arbeit des Unternehmens. Und um jemanden zufrieden zu stellen mit dem was er macht, muss man ihn fördern. Auch das hat sich verändert, vor allem durch den Einfluss von Kernkompetenzen und anderen Führungsbedürfnissen. Vielleicht möchte ein Mitarbeiter eine Weiterbildung in einem Bereich machen, den Sie im ersten Moment nicht als passend empfinden. Hier gilt es langfristig zu denken: Passt diese Weiterbildung allgemein zur Firma, deckt jemand dieses Thema bereits ab und wie kann man diesen interessierten Mitarbeiter in diesen Bereich einbinden? Es gilt darum, stets einen offenen Dialog zu führen und anzuerkennen, wann ein Mitarbeiter den Wunsch hat, sich weiterzuentwickeln. Selbst in dem kleinsten KMU kann dies gewinnbringend sein. Vor allem dann, wenn man einen realen Gewinn für das Unternehmen schaffen kann.

Sie wissen genauso wie wir, die Herausforderungen mit Mitarbeitern haben sich vielleicht verändert, aber es gibt sie weiterhin. Und daran wird sich auch nicht unbedingt was ändern! Was sich ändert, ist dass dank der Transformation schneller Veränderungen akut werden und die Reaktionszeit zum Lösungen finden, sich rasant verkürzt hat. Eine Herausforderung, die gemeistert werden kann, wenn in den Transformationsprozess hin zur Digitalisierung geachtet wird auf Herausforderungen mit Mitarbeitern und Kulturwandel.