Erfolgreiche Kommunikation bei der
Einführung eines Zweiten Betriebssystems

Unternehmen, die sich erfolgreich digital transformieren wollen, müssen ihre Digitalisierungsaktivitäten vernetzt vorantreiben. So ist es beispielsweise bei der Entwicklung von digitalen Produkten & Services wichtig, dass die dort gewonnenen Erkenntnisse, Kompetenzen, Methoden, etc. für die Gesamtorganisation sichtbar gemacht werden und sich in dieser ausbreiten. Nur so kann sich ein Unternehmen zu einer Lernenden Organisation entwickeln, was unabdingbar ist, wenn es digital erfolgreich sein will. Über den Aufbau eines Zweiten Betriebssystems kann diese Entwicklung hervorragend gesteuert und vorangetrieben werden. Dabei ist eine gute Kommunikation entscheidend. Denn ohne Kommunikation keine Veränderung!

Man kann nicht nicht kommunizieren, sonst treten Interpretationen an die Stellen von kommunikativen Lücken [1]. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese Interpretationen nicht der Realität entsprechen und entsprechend grosse Schäden anrichten. Daher ist es unumgänglich, dass die interne Kommunikation Veränderungen, die durch die Einführung eines Zweiten Betriebssystems angestossen werden, kommunikativ professionell begleitet. Dies beginnt mit der Abarbeitung der folgenden Checkliste [2]:

  • Haben alle Betroffene das WARUM des konkreten Handlungs- und Veränderungsbedarf verstanden und können dies aufgrund einer guten Kommunikation lückenlos nachvollziehen?
  • Ist eine Vision vorhanden, die das WARUM der Einführung eines Zweiten Betriebssystems klar beantwortet und wurde diese sauber kommuniziert?
  • Steht das Top-Management hinter den bevorstehenden Veränderungen und kommt diese Haltung glaubwürdig kommunikativ an?
  • Sind die Rahmenbedingungen (vor allem Auftrag und dessen Erfolgskriterien) unmissverständlich definiert und Allen unmissverständlich kommuniziert?
  • Sind Alle (namentlich die Führungskräfte) informiert worden und sich auch im Klaren darüber, dass punktuelle Instabilität bei der Einführung eines Zweiten Betriebssystems und die damit einhergehenden Veränderungen normal sind?
  • Sind die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeitenden im Vorfeld informiert worden, dass sie selbstverantwortlich dafür sorgen müssen, sich das passende Wissen und die entsprechenden Kompetenzen intern oder extern anzueignen, um ihre ausreichenden Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft sicherzustellen? Denn viele Menschen unterschätzen Ihre «Change-Readiness»!

Dabei ist es wichtig, dass die Kommunikation selbst mit einem agilen Mindset arbeitet, um einen direkten, zeitnahen und barrierefreien (bidirektionalen) Informationstransport sicherzustellen. Damit kann unter anderem verhindert werden, dass die Informationen auf dem Weg zu den Empfängern verfärbt werden- man kennt das Phänomen aus der Schulzeit beim Spielen der «stillen Post», wo man erfahren konnte, wie Nachrichten durch die mehrfache informelle Weitergabe verfälscht wurden. Aus diesem Grund sind übrigens «Communiqués» (=Kommunikation im Einwegverfahren) nur bei «glasklaren» Botschaften einzusetzen und sonst möglichst zu vermeiden, da ihnen die Interaktivität fehlt. Denn ohne einen interaktiven Austausch mit den Empfängern kann auf die individuellen Interpretationen durch diese nicht eingegangen werden, was wiederrum neue Kommunikationsprobleme auslösen könnte. Aus diesem Grund sollte grundsätzlich neben unidirektionalen Kommunikationsinstrumenten wie einer Mitarbeiter-App, ein Intranet, eine Mitarbeiterzeitung, etc. auch der Einsatz einer sozialen Kollaborationsplattform (=Facebook für Unternehmen) ins Auge gefasst werden. So können die Reaktionen der Mitarbeitenden auf die Veränderungen nicht nur besser gehört werden, sondern auch die «informellen Informationen» (=Flurfunk) besser beobachtet werden. Bei daraus entstehenden Falschinformationen, Unsicherheiten und Missverständnissen kann somit schneller korrigierend eingeschritten werden.

Auf welchen drei Ebenen sollte eine interne Kommunikation in der Aufbauphase eines Zweiten Betriebssystems stattfinden? 1.) Zwischen den Projektteammitgliedern. Eine gute Kommunikation stellt sich im Normalfall bei einer gut funktionierenden Selbstorganisation von alleine ein. 2.) Zwischen den Projektteilnehmenden und ihren jeweiligen Linienvorgesetzten. Damit ist eine einvernehmliche Koordination zwischen Linien- und Digitalprojektarbeit sichergestellt, weil die Vorgesetzten Bescheid wissen, wie im Zweiten Betriebssystem gearbeitet wird und welche Herausforderungen darin angegangen werden müssen. 3.) Zwischen dem Digitallabor und der Gesamtorganisation: Zu Beginn wird ein Zweites Betriebssystem als «normales Projekt» betrachtet, das den Einzelnen nur am Rande betrifft. Dieses Missverständnis muss so schnell wie möglich aus dem Weg geräumt werden. Daher ist eine ständige, professionelle interne Kommunikation matchentscheiden für den Erfolg des Zweiten Betriebssystems.

Schlussendlich ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Kommunikation bei Changeprojekten die konsequente Anwendung der Prinzipien der Veränderungskommunikation. Wagner [3] hat diese gut zusammengefasst und wir, das TZ Transformationszentrum, möchten hier die relevantesten Prinzipien beim Aufbau eines Zweiten Betriebssystems mit eigenen Interpretationen und Anmerkungen aufführen:

  1. Aktiv den Dialog suchen: Das Zweite Betriebssystem wird in der Anfangsphase von einigen Mitarbeitenden als ein weiteres Projekt unter Vielen wahrgenommen, was zur Folge hat, dass sie sich mit diesem oft nicht ernsthaft auseinandersetzen. Das ist dann ungünstig, wenn sich unter diesen Mitarbeitenden Führungskräfte befinden, die einen Angestellten für ein Digitalisierungsprojekt abstellen. Denn es kann mit der Zeit zwischen diesen zu Missverständnissen hinsichtlich Arbeitsweise, Planung, etc. kommen. Daher ist es wichtig, mit den betroffenen Vorgesetzten den Dialog zu suchen und damit das Zweite Betriebssystems aktiv in ihren Fokus zu rücken.
  2. Kernbotschaften formulieren: Kommunikation scheitert oft daran, dass sie zu viele Botschaften auf einmal transportieren möchte. Dadurch entsteht eine Komplexität für den Empfänger, die dazu beiträgt, dass die Botschaft NICHT so ankommt und verstanden wird, wie ursprünglich vom Absender geplant. Wenn diese Botschaften dann noch unpräzise formuliert sind, ist deren Wirkungslosigkeit vorprogrammiert. Daher ist es wichtig, wenige sowie glasklare und durchdachte Kernbotschaften auszuarbeiten, die regelmässig intern und extern kommuniziert werden.
  3. Dringlichkeit erzeugen: In klassischen Change-Projekten kann relativ einfach eine «Dringlichkeit» erzeugt werden («Wir müssen diese neue Software in 6 Monaten zum Laufen bringen, sonst werden unsere Kundendaten unbrauchbar»).
    Bei der Einführung eines komplexen Veränderungsprogramms aber – wie bei der Einführung eines Zweiten Betriebssystems – ist die Erzeugung einer solchen Dringlichkeit anspruchsvoller. Der beste Weg eine solche Dringlichkeit zu erzeugen, ist mit den initialen 3-4 Leuchtturmprojekten so schnell wie möglich «Quick Wins» (kleine Erfolge) zu erzielen, damit die Projekte weiterfinanziert/-getrieben werden können und dadurch andere Fachabteilungen mit sich «reissen» (weil sie auf deren Knowhow und Services angewiesen sind). Dadurch entsteht über die Projekte Druck auf die andern Fachabteilungen, sich mit agilen Arbeits- und Denkweisen auseinanderzusetzen. Die digitale Transformation entwickelt sich dadurch über konkrete und greifbare Projekte von alleine und ohne zumeist weltfremde digitale Change- und Kulturentwicklungsprogramme, die oft wirkungslos verpuffen.
  4. Erfolge sichtbar machen: Der Mensch liebt den Erfolg und z.B. Sportvereine sind Meister darin, diese zu feiern. Unternehmen, die sich transformieren wollen, sollten von diesen lernen. Denn digitale Transformationen sind komplex und für die Mitarbeitenden eine grosse psychische Herausforderung. Ziele sind oft nicht zeitnah greifbar und der «grosse Wandel» / der grosse Erfolg ist weit weg. Um die Motivation und Energie der sich einsetzenden Mitarbeitenden hochzuhalten, empfiehlt es sich daher, viele Erfolge zu feiern, mögen sie auch noch so klein sein.
  5. Kernbotschaften konsequent wiederholen: Im Punkt 2 wurde das Thema Formulierung von Kernbotschaften Dem Thema der konsequenten Wiederholung von Kernbotschaften wird leider zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Denn immer wieder wird der gleiche Fehler gemacht: Eine Botschaft wird kommuniziert und es wird automatisch davon ausgegangen, dass diese bei den Empfängern verständlich ankommt und nie mehr vergessen geht! Leider ist genau das Gegenteil der Fall. Daher müssen Kernbotschaften beständig wiederholt werden.
  1. Informationsmenge adaptieren: Der Kommunikationspsychologe Klaus Doppler[4] sagt, «dass Kommunikation ein zweiseitiges Geschehen ist. Nicht nur der Sender agiert, sondern auch der Empfänger handelt, indem er darüber Rückmeldung gibt, wie diese Botschaft angekommen ist und was sie bewirkt. D.h. der Empfänger muss die Botschaft aktiv verarbeiten». Und damit er dies tun kann, muss die Informationsmenge auf die Zielgruppe adaptiert sein. Es werden meist zu viele Informationen in eine Botschaft gesteckt, was deren Wirkung verringert.
  2. Frühzeitig kommunizieren: Bei Geschenken lässt sich der Mensch gerne überraschen. Ansonsten nicht. Vor allem nicht bei Veränderungsprojekten. Hier gilt es, die Mitarbeitenden frühzeitig zu informieren. Aus einem einfachen Grund: Man gibt ihnen dadurch Zeit, sich auf die Veränderung vorzubereiten. Damit steigt ihr eigenes Sicherheitsgefühl und sie lassen sich einfacher an Bord holen und so für den Wandel gewinnen.
  3. Top-Management nimmt seine besondere Verantwortung wahr: Die Kommunikation des Zweiten Betriebssystems muss vom Top-Management begleitet werden, indem es einerseits für die Umsetzung der eigens dafür geschaffenen Kommunikationsstrategie sorgt und andererseits nicht müde wird, die Kernbotschaften selber beständig zu wiederholen. Damit setzt es unter anderem der Belegschaft gegenüber ein klares Zeichen, dass die Botschaften des Change-Projekts ernst zu nehmen sind und Jede/r sich mit diesen auseinandersetzen sollte.
  4. Informationsmassnahmen abstimmen: Alle kennen das Phänomen. Von allen Seiten werden wir im Unternehmen zu ähnlichen Themen mit unterschiedlichen Botschaften befeuert. Wenn dann einzelne Abteilungen ihre eigenen Kommunikationsmassnahmen aufsetzen, ist die Verwirrung bei den Empfängern gross. Daher ist es wichtig, dass die Kommunikationsabteilung gerade bei der Einführung eines Zweiten Betriebssystems ihre Führungsrolle über die Abteilungen und Hierarchiestufen hinweg wahrnimmt und für eine saubere Abstimmung der Informationsmassnahmen sorgt.
  5. Meinungsführer einbinden: Bei der Einführung eines Zweiten Betriebssystems werden diejenigen zu den Meinungsführern gehören, die in den Digitalisierungsprojekten involviert sind: die Projektleiter, die Projektteammitarbeitenden und deren Vorgesetzte. Deren Einbindung in die Kommunikationsstrategie ist daher äusserst wichtig: Zum einen die inhaltliche Ausarbeitung der Botschaften betreffend, da deren Inhalt möglichst realitätsnah sein sollte- und wer kann mehr Fakten von der «Arbeitsfront» liefern als die Projektbeteiligten? Zum andern kommen Projektbotschaften immer besser an, wenn sie von denjenigen transportiert werden, welche die Projekte durchführen.

[1] Man kann nicht nicht kommunizieren, Paul Watzlawick, 2011
[2] Abgeleitet aus Berger, Chalupsky, Hartmann, 2013.
[3] E. Wagner, Wie erfolgreiche Veränderung wirklich funktioniert, 1. Auflage, Berlin, 2010 (Eigenpublikation)
[4]Klaus Doppler, Christoph Lauterburg, Change-Management, den Unternehmenswandel gestalten, Campus Verlag 2019